Vernetzte Experten- und Assistenzsysteme sind menschlichen Entscheidungsprozessen in Schnelligkeit und Präzision in vielen Bereichen bereits deutlich überlegen und bestimmen zunehmend die Handlungsroutinen von Maschinen und damit die Interaktionen mit Mensch und Raum. Im Alltag führt dies zu Verunsicherung.
Wir wollen sie als Chance begreifen, um urbane Lebensqualität neu zu denken. Um nämlich wirklich kooperieren, interagieren oder auch nur koexistieren zu können, müssen neue Formen des Miteinanders entwickelt werden, die Intentionen, Kognition und Intuition zu neuen Interaktionsqualitäten verknüpfen.
Im Projekt „Dynamic Space“ haben wir vermeintliche Konstanten unseres urbanen Raumes in Frage gestellt und uns mit den vielfältigen Möglichkeiten und Herausforderungen auseinandergesetzt, die sich aus den Begegnungen zwischen Akteuren im öffentlichen Raum ergeben. Mit unseren beiden Kooperationspartnern, der Forschungsabteilung von Daimler und dem Fab Lab Berlin haben wir Hypothesen und konkrete Konzepte für Koexistenz, Interaktion und Kooperation von Lebewesen und Maschinen gestaltet.
Projektpartner:
Daimler-Forschungsabteilung
Fab Lab Berlin
eLAB Berlin
In unserem Projekt geht es um die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Wie teile ich dem autonomen Fahrzeug meine Intentionen möglichst direkt mit und in welcher Form bekomme ich Feedback?
Dadurch, dass das aktive Überwachen der äußeren Geschehnisse obsolet wird, ist es wichtig, andere Wege der Vermittlung eines Sicherheits-, Macht- und/oder Komfortgefühls zu finden, indem z.B. akustische und haptische Signale ihren Einsatz als Informationskanäle im Innenraum finden. Kontrolle ist hierbei das entscheidende Stichwort: wird sie mir zusammen mit den Unannehmlichkeiten des aktiven Autofahrens genommen oder bleibe ich der Maschine übergeordnet und lasse sie für mich ausführen?
Mit der sinnlichen Kontrolle entfällt auch die manuelle Steuerung der Fahrt. Unser Konzept dreht sich daher vorrangig um einen Hebel, der die Geschwindigkeit und spontane Änderungen der Route reguliert. Je nachdem, wie energisch und wie weit nach vorne dieser Hebel gedrückt wird, weiß das Fahrzeug, ob es langsam oder schnell loszufahren hat und wann der Zielort anzusteuern ist.
Das Fahrzeug vermittelt über leichte, partielle Volumenänderungen im Sitz und räumlich situierte Signale unterbewusst, ob gleich eine starke Beschleunigung bevorsteht, scharfe Kurven links oder rechts angesteuert werden oder eine Bremsung bevorsteht. So entsteht zu keinem Moment das Gefühl, der Technik ausgeliefert zu sein.
Wir sehen unser Konzept primär in der Privatnutzung von Fahrzeugen, um so den Insassen das kompromissloseste Fahrerlebnis zu gewähren. Durch die instinktive Mikrosteuerungen sitzen die Fahrerin und der Fahrer buchstäblich am längeren Hebel, bleiben der Technik klar übergeordnet und nehmen bei Entscheidungsfragen die höchste Position ein.
Besonders in Städten führt Individualverkehr zu Staus, Zeitverlust und hohem Energieverbrauch. Eine Alternative sind Ridesharing-Angebote. Sie reduzieren eigene Kosten, bringen aber auch Abhängigkeiten und Umwege sowie Kompromisse bei Komfort und Privatsphäre mit sich.
Wir wollten Ridesharing so konzipieren, dass es auch für Menschen mit gehobenen Ansprüchen attraktiv wird.
Prive ist ein autonomes Ridesharing-Fahrzeug für drei Personen. Es verfügt über große separate Kabinen mit einer komfortablen Sitzcouch und Stauraum für Handgepäck. Alle Kabinen sind durch eigene straßenseitige Flügeltüren zugänglich.
Eine Fahrt mit Prive bucht man per App, die Ankunftsort und -zeit des nächsten freien Fahrzeugs mit passender Route mitteilt. Die Fahrzeuge sind jederzeit verfügbar. Regelmäßige Termine können ebenso eingestellt werden wie spontane Änderungen. Wünscht man z.B. eine schnellere Fahrt, kann man das Fahrzeug gegen einen Aufpreis exklusiv nutzen. Außerdem können Sitzplatzwünsche oder Einstellungen zur Regulierung von Raumtemperatur und Privatsphäre vorgemerkt werden.
Kurz vor der Ankunft erinnert die App an die Buchung. Das reservierte Fahrzeug ist von weitem durch den Fahrzeugnamen an der Front erkennbar. Bei Fahrzeugstillstand erscheint der eigene Name an der reservierten Kabine, das Fahrzeug öffnet automatisch die Tür. Der Kontakt mit den Mitreisenden bleibt diskret.
Während der Fahrt kann man an einem Tisch arbeiten oder die Auszeit entspannt genießen. Ein Service liefert aktuelle Nachrichten, Restaurant- oder Ausgehtipps. Dezente Signale weisen rechtzeitig auf das Ende der Fahrt hin. Falls gewünscht, kann die Fahrt jederzeit unterbrochen und das Fahrzeug verlassen werden. Eine Parkplatzsuche entfällt.
Prive bietet exklusives Ridesharing ohne Stress und Umwege. Es entlastet somit nicht nur den Alltag von Großstadtbewohnerinnen und -bewohnern, sondern auch Verkehr und Umwelt.
Autonome Fahrzeuge werden heute so konzipiert, dass sie in der Lage sein werden, die Sprache unserer Verkehrsräume zu verstehen: Straßenverläufe, Verkehrsschilder und Ampeln. Dies ist besonders nötig, weil diese Fahrzeuge im künftigen Verkehrsraum mit Menschen und von ihnen gesteuerten Fahrzeugen interagieren werden.
Prognosen gehen aber bereits davon aus, dass menschlich gesteuerte Fahrzeuge eines Tages komplett ersetzt sein werden. Folgt man diesem adaptiven Szenario, so werden autonome Fahrzeuge sich in einer Umwelt wiederfinden, deren rigide Verkehrssprache ursprünglich für die menschliche Wahrnehmung konzipiert wurde, nun aber obsolet ist.
Diese technische Evolution wird von einer demografischen Prognose begleitet, deren Auswirkungen schon heute gut zu beobachten sind: Immer mehr Menschen leben in Städten. Die rasant wachsenden urbanen Populationen haben neue berufliche und private Bedürfnisse, Lebensstile und Tagesabläufe, welche die statische Infrastruktur urbaner Räume vor unabsehbare Herausforderungen stellen wird.
Unser Konzept Autonomous Space basiert auf freien Überlegungen darüber, wie Autos und Raum miteinander interagieren, kooperieren und sich als Einheit entwickeln könnten. Dabei war es uns besonders wichtig, die optimale Ausnutzung des urbanen Raums als jederzeit verhandelbar und veränderbar zu entwerfen.
Aus diesen Überlegungen heraus entwickelten wir ein adaptives System, das in der Lage ist, alle Interaktionen zwischen Menschen und Fahrzeugen autonom zu regulieren. Durch seine sensorischen und interventionellen technischen Fähigkeiten kann es die jeweilige Umwelt urbaner Räume so strukturieren, dass jederzeit die sichere und effiziente Kooperation aller menschlichen und autonomen Partizipierenden im Verkehr gewährleistet ist.
Autonomous Space denkt Autonomie als universelles Prinzip einer emanzipierten und egalitären Mobilität der urbanen Zukunft, die jetzt beginnt.
Ein Zukunftsszenario: Im Jahr 2040 ist der urbane Personen- und Güterverkehr weitgehend autonom. Flugdrohnen sind in Städten aus Gründen des Lärmschutzes und der Sicherheit verboten, man transportiert selbst kleinste Objekte wieder auf der Straße. Für die sofortige und zuverlässige Übermittlung zeitsensibler Kleingüter, wie Gewebeproben oder Medikamente, bedarf es nun eines ganz neuen Ansatzes.
Im Zuge einer Evaluierung ungenutzter Potentiale für den Transport solcher Güter entdeckte das Projektteam F.A.R.S. einen bislang völlig ungenutzten Freiraum: den Abstand zwischen Kraftfahrzeugunterboden und Straßendecke.
Dieser ist das Habitat des F.A.R.S.-Vehikels. Das hyperagile morphbare Dockinggefährt bewegt sich autonom im Verkehrsfluss. Bei Bedarf kann es sich absenken und langsame oder stehende Fahrzeuge mühelos unterfahren. Seine enorme Wendigkeit verdankt es elektromagnetisch gesteuerten sphärischen Kugelreifen, die völlig frei beweglich sind.
F.A.R.S. folgt dem Prinzip des Kommensalismus. In der Biologie versteht man darunter die Wechselbeziehungen zwischen zwei oder mehr Arten, bei der eine Art profitiert, ohne dass die andere Art einen erkennbaren Schaden oder Nutzen davon hat.
Als erweitertes Serviceangebot verbaut Daimler serienmäßig Dockingstationen in seinen Fahrzeugen. Diese können von den F.A.R.S.-Vehikeln als mobile Ladestation und zum Andocken bei gleichem Fahrtweg genutzt werden, um Energie zu sparen.
F.A.R.S. - ein autonom ausschwärmender Helfer für schnelle Einsätze. Zum eiligen Transport von Gewebeproben, zur visuellen Absicherung von Unfallstellen oder für den Transport von Notfallausrüstung. Schneller als die Polizei ... es kann.
Mit zunehmendem Alter müssen viele Menschen Einbußen ihrer Mobilität hinnehmen. Wir fragten uns daher, wie diese Zielgruppe von autonomen Fahrzeugen profitieren könnte. Die Technik soll sie dabei unterstützen, ihren Alltag trotz körperlicher Einschränkungen selbstständig zu gestalten.
In unseren Interviews wurde der Wunsch nach Autonomie, aber auch Berührungsängste mit unbekannter Technik geäußert. Vor allem Fahrzeuge ohne menschliche Kontrolle seien unheimlich, vielmehr wünsche man eine spürbar einfache Steuerung des Fahrzeugs. Daher haben wir Vertrauen als unser hauptsächliches Gestaltungskriterium definiert.
Um mehr darüber zu erfahren, welche Kontrollfunktionen für das Vertrauen in ein Fahrzeug elementar sind, machten wir Erkundungsfahrten mit älteren Menschen. Sie sollten uns dabei Anweisungen geben, als säßen sie in einem autonomen Fahrzeug.
Als Ergebnis unserer Recherchen konzipierten wir niş: es ist ein autonomes Carsharing- Konzept. Die Sitzposition der Fahrzeuge befindet sich auf Augenhöhe eines stehenden Menschen. Sie gestattet ein ergonomisches Ein- und Aussteigen und den souveränen Kontakt mit der Umwelt. Darüber hinaus bietet niş die Option, Fahrzeuge für spontane gemeinsame Touren zu koppeln.
Ein besonderes Augenmerk legen wir auf eine sinnlich erfahrbare Steuerung. Bewusst verzichten wir auf eine abstrakte Smartphone-App und einen großen Cockpit Monitor. Unser Kontrollgerät ist handlich gestaltet und reduziert den komplexen Vorgang des Autofahrens auf die elementaren Steuerungsbefehle.
Niş ist eine komfortable Alltagshilfe für Großstadtbewohnerinnen und -bewohner. In dem autonomen Einsitzer hat man seine vertraute Umgebung allzeit im Griff und verfügt über eine adäquate Alternative zu öffentlichen Verkehrsmitteln.
Die Zukunft beginnt im ÖPNV: Die Busse, Trams und Züge des öffentlichen Personennahverkehrs dürften die ersten autonomen Fahrzeuge in den Städten sein. Wir finden diese Entwicklung besonders spannend und wollten über die künftige Kommunikation und Interaktion zwischen diesen Fahrzeugen und Menschen nachdenken.
Wir starteten mit einer Feldstudie am Rosenthaler Platz: Personen rennen über die Straße und erreichen gehetzt den Bus, während die Fahrerin die Tür wieder öffnet. Unachtsame Leute kommen der Tram gefährlich nahe, worauf ihre Klingel energisch mehr Vorsicht einfordert.
Wie aber würden solche Szenen im autonomen Verkehr aussehen? Kennen autonome Fahrzeuge nur „ja“ und „nein“ oder können sie ihr Verhalten situativ anpassen? Wie teilt ein autonomer Bus der gehetzten Person mit, dass er warten wird – oder eben nicht? Wie macht eine autonome Tram auf sich aufmerksam?
Unser Konzept APT ist ein interaktives visuelles Kommunikationssystem, das die humanen Zwischentöne solcher alltäglichen Interaktionen berücksichtigt und vermitteln kann. Projektionsflächen auf der gesamten Fahrzeugseite und den Türen bilden den Fahrtverlauf ab, begleitende Lichtsignale auf dem Boden visualisieren Gefahrenzonen und das Verhalten des Fahrzeugs bei An- und Abfahrt, Näherungsinitiatoren an den Türen gewähren Nacheinlass, wenn es mal wieder knapp wird.
Das Fahrzeug wird somit zu einer Kommunikationsfläche, die aktiv ausgreifen und auf die Umgebung wirken kann. Die Lichtteppiche und sanften Übergänge vermitteln subtil klare Botschaften. Wo diese nicht hinreichen, greift physisches „Nudging“ ein: Gebläse unter den Scheinwerfern erzeugen einen Luftstrom, der sanft aber bestimmt den nötigen Platz einfordert.
Unser Projekt Autonomous Dialogue erkundet Ansätze für eine alsbald notwendige Sprache im autonomen Verkehr. Wir untersuchten vor allem kritische Begegnungen von Menschen und Fahrzeugen im Stadtverkehr und entwickeln konkrete Konzepte für eine sichere Interaktion.
Wir machten uns zunächst in einem sehr gemischten Verkehrsumfeld – der Oranienstraße im Berliner Stadtteil Kreuzberg – mit gefahrvollen Szenen vertraut und analysierten die Voraussetzungen für gelingende Kommunikation in einem typischen Fall: Eine Person überquert in einem ungeregelten Bereich die Straße. Um einen besseren Einblick auf die Fahrbahn zu bekommen, tritt sie zwischen zwei parkende Autos.
Die natürliche Kommunikation mit dem Verkehr läuft über Blicke und Blickkontakte ab, die bereits Kinder in der Verkehrsfrüherziehung einüben. In einem Szenario mit autonomen Fahrzeugen wäre die Beurteilung von Situationen schwieriger. Wie könnte ein solches Gefährt zu erkennen geben, dass es die Person „gesehen“ hat? Wie sollten die Signale beschaffen sein, um selbst für Kinder eindeutig, versichernd und keinesfalls verwirrend zu sein?
Wir haben eine Kommunikationsform entwickelt, die auf einem instinktiven Verhalten basiert, das in der Psychologie körpersprachlicher Interaktion als sicheres Zeichen für Sympathie bekannt ist: imitative Spiegelung.
Um autonomen Autos diese menschliche Fähigkeit zu verleihen, koppeln wir ihre 3D-Sensorik mit einer großen Projektionsfläche auf der Außenseite, die sich nähernde Personen als farblich gekennzeichnete Spiegelbilder wiedergeben kann.
Die Präsentation besteht aus einer interaktiven Installation, die unsere Idee erfahrbar macht und zu einem Austausch über deren Wirkung einladen möchte.